Kuratierte Geschichte
Ashoka
Quelle: Ashoka

Mein Weg zum Kopflüften

This article originally appeared on Karuna Kompass #46

Du bist ehrenamtlich aktiv und leitest dein eigenes Kultur und Bildungsprojekt „Kopflüften“. Wie ist dein Projekt entstanden? Was hat dich dazu bewegt, bei uns, also bei „180 Grad Wende“, mitzumachen?

Die Entstehung von „Kopflüften“ war ein Prozess. Ich kannte durch mein ehrenamtliches Engagement in Krefeld bereits die Sorgen junger Menschen: Leistungsdruck in der Schule, in Ausbildung oder Familie, der ständige Vergleich auf Social Media und individuelle Diskriminierungserfahrungen – all das belastet. Durch Zufall bin ich dann in mein Engagement bei der 180 Grad Wende „reingestolpert“. Es hat mir so sehr gefallen, dass ich im Nachhinein ganz bewusst geblieben bin.

Ich habe dem Team von meiner Zielgruppe berichtet und von den Bedarfen, die ich für Krefeld sehe. Besonders wichtig war mir die Aufklärungsarbeit zur psychischen Gesundheit und die Identitätsstärkung junger Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Gemeinsam haben wir aus meinen Stärken und Ressourcen das Konzept herausgearbeitet. In der Entwicklungsphase habe ich mich z.B. gefragt, wie ich selbst als junger Mensch mit Hürden umgegangen bin. Die Antwort war: mit Kreativität. Dann wussten wir, dass der künstlerisch-kreative Zugang auch ein Ventil für Kopflüften werden kann.

Wie ging es dann weiter? Wie konnte 180 Grad Wende dir helfen, deine Vorstellungen in ein Projekt umzusetzen?

Manchmal hat man eine große wunderbare Idee, aber weiß gar nicht, wo man ansetzen soll. Die 180 Grad Wende hat mir dabei geholfen, diese Idee zu konkretisieren und auf Papier zu bringen. Dann habe ich Unterstützung bekommen, diese Idee in einen Projektantrag zu gießen und die passenden Gelder zu beantragen. Ich wollte mit „Kopflüften“ junge Menschen an die Kulturszene heranzuführen. Gerade Menschen mit Migrationshintergrund haben häufig aufgrund von fehlender Repräsentation, aber auch wegen Diskriminierung und fehlen- den Ressourcen einen erschwerten Zugang zur Kulturszene. Mir war es wichtig, dass die Angebote daher in Kultureinrichtungen stattfinden. Die 180 Grad Wende hat mich dabei unterstützt, die passenden Räume und Kooperationspartner:innen zu finden. Neben den organisatorischen Aufgaben habe ich auch viel emotionalen Support bekommen. Das Gefühl, ein eigenes Projekt gestalten und leiten zu können, motiviert mich, Kopflüften in Zukunft weiter auszubauen.

Wer kann alles an deinem Projekt teilnehmen und mitmachen? Ursprünglich war Kopflüften als ein lokales Projekt für Krefelder Interessierte mit und ohne Migrationshintergrund gedacht. Durch die Pandemie mussten wir gerade zu Beginn auf Online-Angebote aus- weichen. Rückblickend ist das Kopflüften-Projekt dadurch sogar barrierefreier geworden und spricht heute nicht nur Krefelder junge Menschen an, sondern hat Teilnehmende aus unterschiedlichen Städten Deutschlands zusammengebracht.

Was bedeutet eigentlich der Name „Kopflüften“ genau?

Der Begriff Kopflüften ist eigentlich ein Zitat aus meinem Tagebuch. Mit 15 saß ich häufig mit meiner besten Freundin am Rhein, und wir haben uns dort alles Mögliche von der See- le geredet. An einem Abend habe ich dann in meinem Tagebuch notiert: „Heute mit Jessy kopflüften.“ Kopflüften ist ein „Tu-Wort“, das vieles gleichzeitig verbindet: reflektieren, frei fühlen, Ausgleich finden, abschalten, Platz schaffen für neue Chancen. Und im allerbesten Fall: mitmachen.

Wie kann man sich die Workshop- Angebote vorstellen? Was macht ihr, um den Kopf zu lüften?

Wir haben zwei Workshop-Formate: Die kreativen Workshop-Angebote werden von verschiedenen Künster:innen geleitet. Wir hatten bereits Angebote vom kreativen Schreiben über Zeichnen bis hin zu Herbstkranz entwickelt. Die Workshops sollen einen Aus- gleich zum Alltag bieten und die Teilnehmer:innen empowern, die eigene Kreativität zu entdecken und auszuleben. Dann gibt es noch die Workshops und Vorträge mit psychologischen Inhalten, die von Fachleuten referiert wer- den. Wir haben bereits über Themen wie Resilienz gesprochen, das Schreiben als eine Form der Therapie kennengelernt und immer wieder über das große Thema Identität reflektiert und uns in den Gruppen ausgetauscht.

Seit diesem Jahr hat Kopflüften eine neue Rubrik: die Community Workshops. Was genau passiert in diesen Workshops, und wie kann man da mitmachen?

Durch Kopflüften durfte ich sehr viele interessante Menschen kennenlernen. Es sind einige in der Community, die als Hobby gerne zeichnen oder schreiben und vieles mehr. Ich wollte eine Möglichkeit schaffen, wie sie in Form von eigenen Workshops ihr Potential weiter entfalten können. So sind dann die Community-Workshops entstanden. Ich unterstütze meine Künstler:innen bei der Planung und Organisation, sodass sie das Angebot später selbst leiten können. Der erste Community Workshop war ein Online-Angebot, in dem wir gemeinsam ein Motiv gezeichnet haben, das uns die Künstlerin Erva von @ervaart vorbereitet hat.

Was war der schönste/beste Moment bei der Umsetzung deines Projektes bis-

her?

Zu merken, wie sich andere mit dem Projekt identifizieren, und dass eine Community entsteht, die sich untereinander in ihrer Kreativität bestärkt.

Das Interview führte „180 Grad Wende“. 180 Grad Wende ist eine Organisation im Bereich Soziale Arbeit, Bildung und Prävention mit Sitz in Köln. Ziel der 2012 gegründeten zivilgesellschaftlichen Initiative ist es, junge Menschen aus benachteiligten Milieus mit bedarfsorientierten Projekten zu erreichen und ihnen neue Perspektiven und Chancen zu eröffnen.

Das Interview führte Antonia Meier, Projektmitarbeiterin bei 180 Grad Wende

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